Was müssen Unternehmen beachten, wenn Kurzarbeit nicht ausreicht und es zu betriebsbedingten Kündigungen kommt?

Kurz vorab: Kurzarbeit ist für Unternehmen gedacht, damit sie in Krisenzeiten schnell ihre Personalkosten senken können. Die Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben. Damit gehört das Kurzarbeitergeld zu einem wichtigen Kriseninstrument in Deutschland. Die Arbeitsagenturen haben nach dem Shutdown den Unternehmen sehr schnell und unbürokratisch geholfen. Dadurch konnten sehr viele Arbeitsplätze zunächst erhalten bleiben. Aber auf Dauer wird das Instrument der Kurzarbeit für viele Unternehmen nicht ausreichen. Um finanziellen Schieflagen und Insolvenzen vorzubeugen, wird es in den nächsten Monaten vermutlich zu vielen betriebsbedingten Kündigungen kommen. Dabei müssen Arbeitgeber beachten, dass ein Wechsel von Kurzarbeit zur betriebsbedingten Kündigung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber etwas schwieriger als eine direkte betriebsbedingte Kündigung ist. Sie ist während der Kurzarbeit sozialwidrig, wenn sie aus exakt denselben Gründen erfolgt, die auch bereits zur Kurzarbeit geführt haben.

In welchen Fällen können denn Kündigungen ausgesprochen werden?

Wichtig ist zu verstehen, dass Kurzarbeit eine Prognose des Arbeitgebers voraussetzt, wonach der Beschäftigungsbedarf nur vorrübergehend zurückgehen wird, etwa für drei bis sechs Monate. Eine solche Prognose rechtfertigt aber keine betriebsbedingte Kündigung. Denn für eine betriebsbedingte Kündigung muss der Arbeitgeber mit einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsbedarfs rechnen. Die eingeführte Kurzarbeit spricht aus Sicht von Gerichten also zunächst gegen einen dauerhaften Arbeitsausfall. Wenn Arbeitgeber während der Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, müssen sie daher dokumentieren, dass neue Erkenntnisse vorliegen, die den Wechsel von Kurzarbeit zur Kündigung rechtfertigen.

Was genau muss dokumentiert werden?

Wir empfehlen Arbeitgebern, einen formellen Geschäftsführungsbeschluss zu fassen und diesen schriftlich zu dokumentieren und zu unterzeichnen. In dem Beschluss sollte aufgeschrieben werden, welche neuen Umstände aufgetreten sind, die nun eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Das sollte idealerweise mit Zahlen und Fakten gestützt und mit einem Arbeitsrechtsanwalt abgestimmt werden. Als Beispiele können genannt werden: ein wichtiger Großkunde fällt weg, weitere Kunden sind selbst in Zahlungsschwierigkeiten geraten und bestellen weniger oder eigene Arbeiten werden fremdvergeben und dadurch günstiger. Sinnvoll ist allerdings, sich nicht nur auf diese äußeren Umstände zu berufen, sondern dies vielmehr als Anlass für ein Konzept zur Neuorganisation zu nehmen. Das ist vor Gericht einfacher zu vertreten.

Sind damit die Kündigungen dann unanfechtbar oder gilt auch hier der Kündigungsschutz?

Nein, wie jede Kündigung ist auch eine Kündigung während Kurzarbeit von Gerichten voll überprüfbar. Bei Betrieben mit mehr als 10 Vollzeitmitarbeitern haben die Mitarbeiter in aller Regel Kündigungsschutz. Dann ist auch eine Sozialauswahl vorzunehmen. Das ist in der Praxis die größte rechtliche Hürde, die sorgfältiger Vorbereitung bedarf. Manchmal kann auch ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, ggf. auch als Schutzschirmverfahren, eine Möglichkeit sein, einen Personalabbau vorzunehmen. Hier gilt dann nämlich eine Kündigungsfrist von maximal drei Monaten. Sofern es einen Betriebsrat gibt, muss dieser natürlich auch beteiligt werden.

Nach einer betriebsbedingen Kündigung während der Kurzarbeit stellen sich gleich mehrere Fragen. Gilt weiterhin die Kurzarbeit? Welcher Lohn wird gezahlt?

Zunächst einmal sollten bestehende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen nach Klauseln zur Kurzarbeit und Kündigung durchforstet werden. Manchmal sind arbeitnehmerfreundliche Regelungen enthalten, die z. B. einen vollen Lohnausgleich bis zum Ende der Kündigungsfrist vorsehen oder Kündigungen während der Kurzarbeit generell ausschließen. In kleinen und mittleren Unternehmen hingegen fehlen häufig solche Vereinbarungen. Die Frage, ob nach Ausspruch der Kündigung weiterhin Kurzarbeit gilt, oder ob der Arbeitnehmer wieder sein volles Gehalt verlangen kann, ist in der Regel Auslegungssache und kann auch davon abhängen, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben hat. Darüber wird demnächst sicherlich viel gestritten.

Was gilt für personen- oder verhaltensbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit?

Diese können auch während der Kurzarbeit ausgesprochen werden. Es gelten keine Besonderheiten. Allerdings besteht hier grundsätzlich ein hohes Konfliktpotential, so dass diese Kündigungen in der Regel vor dem Arbeitsgericht ausgetragen werden – auch ohne Kurzarbeit. Wir schätzen mit unseren Mandanten die Erfolgsaussichten solcher Kündigungen und die voraussichtlichen Kosten ab und raten teilweise zu Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen.

Herr Moog, was empfehlen Sie Unternehmen in der aktuellen Situation?

Wenn Unternehmen sich für betriebsbedingte Kündigungen entscheiden, sollten diese sorgfältig vorbereitet werden. Die Probleme der Sozialauswahl sind erfahrungsgemäß nur mit rechtlicher Beratung in den Griff zu bekommen. Dasselbe gilt für die häufig erforderliche Massenentlassungsanzeige, die von kleineren Unternehmen teilweise auch übersehen wird. Das bedarf einiger Planung im Vorfeld. Mit insgesamt sechs am Standort Darmstadt ansässigen Arbeitsrechtsspezialisten können wir Unternehmen hierbei hervorragend unterstützen.