Einseitige Risikoverteilung

Scheinselbständigkeit bleibt ein Dauerbrenner in der sozial- und arbeitsrechtlichen Beratung. Immer wieder werden sogenannte „freie Mitarbeiter“ fälschlicherweise als sozialversicherungsfreie Selbständige eingeordnet. Die mit einer Falschbeurteilung verbundenen sozialversicherungsrechtlichen Nachzahlungen und ggf. auch strafrechtlichen Risiken treffen fast ausschließlich den Auftraggeber und sind für diesen nicht selten existenzbedrohend.

Die Praxis zeigt, dass diese einseitige Risikoverteilung mittlerweile auch den freien Mitarbeitern bekannt ist, die möglicherweise nach Jahren der freien Mitarbeit - ggf. mangels Selbstvorsorge - die Feststellung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung begehren. Das für den freien Mitarbeiter kostenfreie Feststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung wird nicht selten, auch nach Jahren der Beendigung des Vertragsverhältnisses, als Druck- und Drohmittel benutzt. Auch die Verfahrenspraxis der Clearingstelle entschärft diese Situation nicht. So stellt die Clearingstelle in der Regel voraussehbar und leider zuverlässig eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fest.

Häufig folgen den sozialversicherungsrechtlichen auch arbeitsgerichtliche Verfahren, in denen dann arbeitsrechtliche Ansprüche (wie Urlaubsabgeltung) geltend gemacht werden. Dies ist umso überraschender, als zwischen beiden Parteien zum Zeitpunkt des Dienstverhältnisses einvernehmlich von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen wurde.

Kurz: Die Mühlen dieser kostspieligen Verfahren können daher auch den gutgläubigen und gewissenhaften Auftraggeber erfassen, der alle notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten einer selbständigen Tätigkeit beachtet hat und trotzdem erst durch die Sozial- oder Arbeitsgerichte aus diesem Verfahrensalbtraum entlassen wird.

Entlastung für den Arbeitgeber?

Mit seinem Urteil vom 26.06.2019 (Az. 5 AZR 178/18) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu einer Lastenverschiebung beigetragen, die ggf. zu etwas mehr Gleichgewicht führen könnte. Ein Feststellungsantrag kann somit nicht nur für den dann festgestellten Arbeitgeber, sondern auch für den Arbeitnehmer erhebliche finanzielle Konsequenzen haben.

Das BAG hat entschieden, dass der Arbeitgeber die Rückzahlung überzahlter Honorare vom Arbeitnehmer verlangen kann. Voraussetzung sei, dass die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar. Ohne besondere Anhaltspunkte sei nicht davon auszugehen, dass die während des Dienstverhältnisses vereinbarten Honorare auch für die Beschäftigung im Arbeitsverhältnis maßgeblich sind. Kann der Arbeitnehmer hierfür keine Anhaltspunkte darlegen, ist auf die nach § 612 Abs. 2 BGB sogenannte „übliche Vergütung“ abzustellen.

Der durch den freien Mitarbeiter gestellte Feststellungsantrag, kann sich nun auch zum „Eigentor“ umwandeln, wenn der Arbeitgeber einen Rückzahlungsanspruch geltend macht. Das Urteil stellt eine zu begrüßende Lastenumverteilung dar und führt hoffentlich zu einer Reduzierung von leichtfertig gestellten Feststellungsanträgen, wenn sich nun auch der freie Mitarbeiter mit finanziellen Konsequenzen einer Statusfeststellung konfrontiert sieht. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen die Honorarhöhe für eine Eigenvorsorge mehr als ausreichend war. Dennoch gilt auch weiterhin für Auftraggeber, die selbständige Freelancer beauftragen, die vertragliche und tatsächliche Ausgestaltung dieser Beauftragung genau zu prüfen und möglichst gleich zu Beginn dieser Zusammenarbeit durch die Prüfung bei der Clearingstelle einen Bescheid zu erlangen. Denn allein dieser Bescheid schafft die nötige Rechtssicherheit.