Mitnehmen kann man nichts – Steuern zahlen aber viel: Die Schenkung einer eigenen Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist bei vielen Grundstückseigentümern ebenso im Hinterkopf wie die Notwendigkeit, ein Testament aufzusetzen oder eine Vorsorgevollmacht beurkunden zu lassen. Oft weiß man, dass man es unbedingt tun sollte, noch öfter aber verdrängt man die Entscheidung über die damit zusammenhängenden wichtigen Fragen.

Der Gedanke an die Übertragung der Immobilie rückt mit zuverlässiger Regelmäßigkeit immer dann in den Vordergrund, wenn Gesetzesänderungen vor der Tür stehen. Sobald man erfährt, dass man – oder die künftigen Erben – demnächst mehr abgeben muss als noch heute, scheint die Schwelle zur Überwindung des „inneren Schweinehunds“ plötzlich deutlich niedriger und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

Auch in diesen Tagen ist wieder allenthalben von den enormen Auswirkungen auf die künftige Bewertung von Immobilien zu lesen, die das Jahressteuergesetz 2022 ab dem kommenden Jahr haben wird. Demnach soll eine hinausgeschobene Übertragung der Immobilie zu Lebzeiten zu einer höheren Steuerlast führen. Anhand einzelner Rechenbeispiele wird dann meist aufgezeigt, wie stark das Ergebnis einer Immobilienbewertung im Einzelfall nach oben schießen kann. Entsprechend wird dazu geraten, die Übertragung sofort anzugehen und noch in diesem Jahr einen Notartermin zu vereinbaren. Und jeder, der es eigentlich schon immer vorhatte, meldet sich umgehend beim Notar.

Statt der Beurkundung in Fließbandarbeit wird der Notar die Beteiligten jedoch darüber aufklären, dass Druck von außen ohne hinreichende Überlegung und Abwägung der Vor- und Nachteile noch nie ein guter Berater beim Abschluss von bedeutenden Rechtsgeschäften war. Das ist einer der Gründe, warum ein Übergabevertrag beim Notar geschlossen werden muss.

Auch beim aktuell diskutierten Jahressteuergesetz 2022 lohnt es sich, genauer hinzusehen: Die meisten Übergabeobjekte sind nach wie vor Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen, die – zumindest in Hessen – nahezu ausnahmslos nach den von den Gutachterausschüssen ermittelten und jährlich veröffentlichten Vergleichswertfaktoren bewertet werden. Insoweit wird die geplante Änderung durch das Jahressteuergesetz 2022 keinen Einfluss auf die Bewertung dieser Übergabeobjekte haben.

Nur Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke sowie gemischt genutzte Grundstücke, die mit dem Ertrags- und Sachwertverfahren bewertet werden, sind teilweise von geplanten Änderungen im Jahressteuergesetz 2022 betroffen. Dem Sachwertverfahren unterliegen auch Einfamilienhäuser auf Grundstücken, die größer als 1.000 Quadratmeter sind, da für sie keine Vergleichsfaktoren existieren. Allerdings waren die für Steuerzwecke festgestellten Grundstückswerte auch in der Vergangenheit nicht weit unter dem Marktwert, weshalb in der Regel keine signifikanten Werterhöhungen durch die Gesetzesänderung zu erwarten sind.

Die Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2022 sind für die Grundstücksbewertung nicht so bedeutend, wie teilweise kommuniziert. Geändert werden insbesondere die Bodenwertverzinsung und die Kriterien der Bewirtschaftungskosten. Diese Aspekte der Grundstücksbewertung sind aber nur von Relevanz, wenn die Gutachterausschüsse sie nicht auf Basis der lokalen Gegebenheiten festgestellt haben, was für eine Vielzahl der Städte und Landkreise – in Hessen flächendeckend – schon der Fall ist.

Denkbar ist hingegen, dass die Bewertung von Immobilien künftig weniger schnell steigt als in der Vergangenheit. Denn nach den vorgesehenen gesetzlichen Regelungen sollen die Gutachterausschüsse nicht mehr alle zwei, sondern nur noch alle drei Jahre die Datenbasis neu ermitteln. Damit kann länger zu älteren Werten übertragen werden als bisher.

Was in den vergangenen Jahren zum Teil exorbitant stieg, waren die Bodenrichtwerte, die aus Grundstücksverkäufen abgeleitet werden. Ursache dieses – in Großstädten wie Berlin astronomischen – Anstiegs war jedoch nicht die steuerliche Bewertung, sondern die Mischung von jahrelanger Niedrigzinspolitik, gekoppelt mit einem Unterangebot an Grundstücken und Immobilen – letztlich vergleichbar mit der Immobilienblase in den USA, deren Folgen bekannt sind.

Fazit: Das Jahressteuergesetz 2022 wird bei der Übertragung von Einfamilienhäusern in den allermeisten Fällen keine Auswirkungen auf die steuerliche Bewertung haben. Immobilienbesitzer sind nach wie vor gut beraten, sich den Schritt einer Übertragung sorgfältig zu überlegen. Neben möglichen Steuervorteilen gegenüber einem späteren Erbgang, sollte vor allem die eigene Versorgungssicherheit im Auge behalten werden. Hierzu können Regelungen zum Vorbehalt eines Nießbrauchs und zu Rücktrittsrechten vereinbart werden. Die Entscheidung, ob eine Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die nächste Generation übertragen wird, sollte dann unter Abwägung aller Auswirkungen getroffen werden. Steuerliche Überlegungen zur Ausnutzung der Freibeträge können dabei eine Rolle spielen. Sie sollten aber nie der alleinige Antrieb für die Hingabe hoher Vermögenswerte sein.