Auch das Baugewerbe leidet zunehmend unter den Auswirkungen des Corona-Virus. Der Gesetzgeber hat hierauf bislang noch nicht reagiert, da sich das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie in Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 auf Verbraucher und Kleinstunternehmen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Dauerschuldverhältnissen bezieht. Maßgebend für die Abwicklung der Verträge bleiben folglich die gesetzlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches bzw. der VOB/B. Vertragliche Abmachungen zu höherer Gewalt wären zwar vorrangig, wurden in der Praxis bislang jedoch überwiegend nicht getroffen. Die kurzfristigen Auswirkungen sind im VOB-Vertrag bzw. Bauwerkvertrag dabei in ähnlicher Weise geregelt.
 

  1. VOB-Vertrag

    § 6 Abs. 2 VOB/B bestimmt: „Ausführungsfristen werden verlängert, soweit die Behinderung verursacht ist durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände.“ Die Verlängerungswirkung tritt dabei jedoch nur im Falle einer ordnungsgemäßen Behinderungsanzeige ein. Diese muss alle Tatsachen enthalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klarheit die Gründe der Behinderung ergeben. Insbesondere hat der Auftragnehmer Angaben dazu zu machen, welche nach dem Bauablauf auszuführende Arbeiten nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können. Ein pauschaler Hinweis auf das Corona-Virus reicht hierzu regelmäßig nicht aus. 

    Unterbleibt die Behinderungsanzeige, kann sich der Unternehmer auf die hindernden Umstände nicht berufen. Anders liegt es ausnahmsweise nur dann, falls dem Auftraggeber die hindernden Umstände und deren hindernde Wirkung offensichtlich bekannt wären. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bedarf für jeden einzelnen Fall der sorgfältigen Überprüfung.
     
  1. VOB-Bauwerkvertrag

    Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches enthalten keine dem § 6 VOB/B entsprechende Regelung. Über die allgemeinen Vorschriften des Leistungsstörungsrechts kommt man gleichwohl zu ähnlichen Ergebnissen. Der Werkunternehmer kommt mit seiner Leistung nur im Falle von Verschulden, also Vorsatz und Fahrlässigkeit, in Verzug. Höhere Gewalt fällt hierunter nicht. Dem Werkunternehmer steht deshalb im Falle nachweisbarer Behinderungen ebenfalls ein Anspruch auf Verlängerung der Bauzeiten zu.

     
  2. Architektenverträge

    Für Architekten dürfte sich aufgrund der aktuellen Situation vor allem ein erhöhter Koordinations- und Planungsaufwand ergeben, so dass Honorarmehrforderungen in Betracht zu ziehen sind. Gleiches gilt im Falle des Auftretens verlängerter Objektüberwachungszeiträume. Die erfolgreiche Durchsetzung solcher Ansprüche hängt im Wesentlichen davon ab,  dass der Architekt seinen Mehraufwand in ausreichendem Maße dokumentiert, weil andernfalls eine Nachweisführung erschwert oder unmöglich wird. Baujuristen informieren gerne über die Anforderungen solcher Dokumentationen.
     

Zu den langfristigen Auswirkungen

Dauern die Behinderungen bzw. Unterbrechungen auf der Baustelle länger an, reichen Behinderungsanzeigen nicht mehr aus. Laufende Verträge müssten vielmehr im Hinblick auf mögliche Vertragsanpassungen oder Kündigungen untersucht werden. Sowohl das Bürgerliche Gesetzbuch als auch die VOB/B sehen hierzu entsprechende Regelungen vor.

§ 648a BGB bestimmt beispielsweise: „Beide Vertragsparteien können den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.“

Eine zuverlässige Beurteilung der Rechtslage im Hinblick auf Vertragsanpassungen bzw. Kündigungen ist stark vom Einzelfall geprägt und deshalb regelmäßig nur von erfahrenen Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht zu leisten. Von vorschnellen Entscheidungen muss auf jeden Fall gewarnt werden.