Das Bundesarbeitsgericht hat am 24.06.2021 (Aktenzeichen 5 AZR 505/20) ein Grundsatzurteil zur Bezahlung von in deutschen Haushalten tätigen ausländischen Pflegekräften gefällt. Den ausländischen Arbeitnehmern, die Pflegebedürftige in ihren Wohnungen betreuen, stehe für geleistete Arbeitsstunden der gesetzliche Mindestlohn zu, das gelte auch für Bereitschaftszeiten. Nach dem Bundesarbeitsgericht handelt es sich bei vergütungspflichtigen Bereitschaftszeiten um Zeiten wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, bei der sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (BAG, Urteil vom 29.06.2016, Aktenzeichen 5 AZR 716/15).

Die Klägerin, eine Pflegekraft aus Bulgarien, war seit April 2015 bei einem bulgarischen Pflegeunternehmen (Beklagte) beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag der Klägerin war eine Arbeitszeit von 30 Wochenstunden vereinbart worden, wobei Samstag und Sonntag arbeitsfrei sein sollten. Die Klägerin wurde nach Berlin entsandt und arbeitete gegen eine Nettovergütung von 950 Euro monatlich im Haushalt der zu betreuenden Person, bei der sie auch ein Zimmer bewohnte. Der Einsatz der Klägerin erfolgte auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrags, in dem sich die Beklagte gegenüber der zu betreuenden Person verpflichtete, in deren Haushalt Betreuungsleistungen wie Pflege- und Haushaltstätigkeiten durch ihre Mitarbeiter zu erbringen.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage unter Berufung auf das in Deutschland geltende Mindestlohngesetz von dem bulgarischen Pflegeunternehmen weitere Vergütung verlangt. Sie machte geltend, bei der Betreuung nicht nur 30 Wochenstunden, sondern rund um die Uhr gearbeitet zu haben oder in Bereitschaft gewesen zu sein. Auch in der Nacht habe die Tür zum Zimmer der Klägerin offen gestanden, um die Rufe der zu betreuenden Person hören und sie bei Bedarf unterstützen zu können. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, sie schulde den gesetzlichen Mindestlohn nur für die arbeitsvertraglich vereinbarten 30 Wochenstunden. Bereitschaftsdienst sei nicht vereinbart gewesen.

BAG: Mindestlohngesetz greift

Das Landesarbeitsgericht hatte der Klage zunächst überwiegend entsprochen. Das Bundesarbeitsgericht stellte in dem Revisionsverfahren fest, dass das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen sei, dass die Verpflichtung zur Zahlung des in Deutschland geltenden gesetzlichen Mindestlohns auch ausländische Arbeitgeber treffe, sofern sie Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden. Weiterhin stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass der Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten gezahlt werden müsse. Eine solche vergütungspflichtige Bereitschaftszeit könne bereits dann vorliegen, wenn die ausländische Pflegekraft rund um die Uhr in dem Haushalt der pflegebedürftigen Person leben müsse, um bei Bedarf jederzeit Hilfe leisten zu können – so das Bundesarbeitsgericht. Das Bundesarbeitsgericht verwies den Fall allerdings im Ergebnis zurück an das Landesarbeitsgericht, damit dieses den Fall neu würdigen kann. Das Landesarbeitsgericht hat nun zu prüfen, in welchem Umfang die Klägerin tatsächlich in Vollarbeit oder Bereitschaft gearbeitet hat und wie viele Stunden Freizeit bestanden.

Fazit

So nachvollziehbar die Entscheidung auch ist, wird sie eine immense Veränderung für die häusliche Pflege bedeuten. Vor allem für diejenigen, die auf die Unterstützung ausländischer Pflegekräfte angewiesen sind. Dass bei einem derartigen Modell der häuslichen Pflege tatsächlich mehr als 30 Stunden pro Woche gearbeitet wird, dürfte tatsächlich nicht fernliegend sein. Es fragt sich aber dennoch, wie festgestellt werden soll, wie viele Stunden tatsächlich – zumindest in Bereitschaft – gearbeitet wurden. Muss wirklich von einem 24-Stunden-Tag ausgegangen werden oder gibt es auch Zeiten, die unberücksichtigt bleiben? Klar dürfte aber eins sein: sofern die häusliche Pflege unbezahlbar wird, hat dieses Modell wohl ausgedient. Wie aber soll die Betreuung und Pflege einer alternden Gesellschaft dann aussehen? Hier wird sich wohl auch die Politik Gedanken machen müssen…