Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren rasant verändert. Diesen Wandel hat die COVID-19-Pandemie noch beschleunigt – insbesondere im Hinblick auf die Ausbreitung von Homeoffice. Währenddessen hat auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union (EU) zugenommen. Seit 1. Juli 2023 ermöglicht nun ein neues Rahmenübereinkommen unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 49,99 Prozent grenzüberschreitende Telearbeit in der EU – ohne sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen für die jeweiligen Arbeitnehmer.

Bisher galt die 25-Prozent-Grenze

Grundsätzlich regelt die europäische sozialversicherungsrechtliche Koordinierungsverordnung (VO (EG) 883/2004 vom 29. April 2004), dass eine Person stets nur den Vorschriften des Sozialversicherungsrechts eines Staates unterliegt. Im Rahmen grenzüberschreitender Telearbeit waren Arbeitnehmer in ihrem Wohnsitzstaat sozialversicherungspflichtig, wenn sie dort einen wesentlichen Teil (mindestens 25 Prozent) ihrer Tätigkeit ausübten.

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden für diese Arbeitnehmer zeitlich begrenzte Sonderreglungen eingeführt. Danach führte eine verstärkte Tätigkeit im Wohnsitzstaat trotz Überschreiten der 25-Prozent-Grenze nicht zu einem Wechsel des Sozialversicherungsrechts.

Neuregelung seit 1. Juli 2023

Um den Entwicklungen der vergangenen Jahre Rechnung tragen zu können, erarbeitete eine EU-Arbeitsgruppe im Anschluss an die pandemiebedingten Sonderregelungen zum 30. Juni 2023 ein multilaterales Rahmenübereinkommen auf Grundlage von Artikel 16 Absatz 1 VO (EG) 883/04.

Es ermöglicht Beschäftigten seit 01. Juli 2023, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen im Wohnstaat bis zu 49,99 Prozent der Gesamtarbeitszeit in Form von Telearbeit erbringen können und dennoch das Sozialversicherungsrecht des Mitgliedstaats gilt, in dem der Arbeitgeber ansässig ist.

Danach gelten die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, wenn der Arbeitnehmer

  • für den Arbeitgeber
  • sowohl im Mitgliedsstaat, in dem der Arbeitgeber ansässig ist,
  • als auch in Telearbeit im angrenzenden Wohnstaat arbeitet,
  • eine entsprechende Vereinbarung geschlossen wurde und im Interesse des Arbeitnehmers liegt,
  • kein weiterer (dritter) Staat beteiligt ist und
  • die Arbeit in Telearbeit zwischen 25 und 49,99 Prozent der Beschäftigung ausmacht.

Der Rahmenvereinbarung können sich die EU-Mitgliedstaaten anschließen. Unterzeichnet wurde sie bereits unter anderem von Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich. Einen Überblick sämtlicher Staaten, die die neue Vereinbarung unterzeichnet haben, finden Sie hier: Cross-border telework in the EU, the EEA and Switzerland | Federal Public Service - Social Security (belgium.be).

Antragstellung durch den Arbeitgeber

Soll das Sozialversicherungsrecht des Arbeitgeberstaates weiterhin anwendbar bleiben, ist stets ein Ausnahmeantrag erforderlich. Er ist vom Arbeitgeber in dem Staat zu stellen, dessen Sozialversicherungsrecht angewendet werden soll. In Deutschland ist hierfür der GKV Spitzenverband – Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (SVKA) zuständig.

Anträge können bis zum 30. Juni 2024 rückwirkend mit Wirkung ab dem 1. Juli 2023 gestellt werden, sofern die Sozialversicherungsbeiträge in diesem Zeitraum durchgängig in Deutschland entrichtet wurden.

Das grenzüberschreitende Homeoffice bietet sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern zahlreiche Chancen. Die Zukunft der Arbeit wird zweifellos von einer verstärkten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geprägt sein. Es erfordert jedoch eine sorgfältige Planung, klare Vereinbarungen und die Einhaltung der rechtlichen und steuerlichen Vorschriften.