Mit Urteil vom 19. März 2025 (Az. 10 AZR 67/24) ist das Bundesarbeitsgericht (BAG) von seiner bisherigen Rechtsprechung zum Verfall von Aktienoptionen abgerückt und setzt zugleich wichtige neue Leitlinien zur Gestaltung von Verfallklauseln in Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, die Unternehmen unbedingt beachten sollten. Denn: Viele Klauseln, die Unternehmen bislang verwendet haben, dürften nun unwirksam sein.
Konkret ging es um die Frage, ob virtuelle, bereits „gevestete“ Optionen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – insbesondere durch Eigenkündigung – ersatzlos verfallen dürfen.
Virtuelle Optionen – ein kurzer Überblick
Insbesondere bei Start-Ups sind virtuelle Mitarbeiterbeteiligungsprogramme ein beliebtes Instrument zur Mitarbeiterbindung und -gewinnung. Virtuelle Optionen gewähren Mitarbeitern einen geldwerten Vorteil, der an die Entwicklung des Unternehmenswerts gekoppelt ist – ohne dass tatsächlich Gesellschaftsanteile übertragen werden. Im Fall eines Ausübungsereignisses (etwa eines Börsengangs oder Verkaufs) erhalten die Begünstigten eine Auszahlung. Virtuelle Programme bieten damit eine aktienähnliche Beteiligung an Unternehmen ohne Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Struktur.
Der Begriff „Vesting“ bezeichnet dabei den Prozess, durch den Mitarbeitende über einen bestimmten Zeitraum einen Anspruch auf bestimmte Vergütungsbestandteile erwerben – etwa virtuelle Optionen. Die Auszahlung oder Ausübung erfolgt dabei häufig erst nach einer Mindestlaufzeit und unter weiteren Bedingungen.
Sachverhalt
Der Entscheidung des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war knapp zweieinhalb Jahre bei der beklagten Arbeitgeberin tätig und hatte im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms 23 virtuelle Aktienoptionen erhalten. Diese sollten rechnerisch anteilig innerhalb einer vierjährigen Vesting-Periode erworben („gevestet“) werden, wodurch sie nicht mehr verfallen könnten. Die tatsächliche Ausübung sollte jedoch erst bei Eintritt eines Ausübungsereignisses möglich sein.
Nach fristgerechter Eigenkündigung machte der Kläger seinen Anspruch auf Ausübung der bereits „gevesteten“ Optionen geltend. Die Arbeitgeberin berief sich auf eine Verfallklausel, wonach sämtliche Optionsrechte bei Eigenkündigung unmittelbar verfallen, einschließlich bereits gevesteter Optionen. Alternativ war eine sukzessive Verfallregelung innerhalb von zwei Jahren vorgesehen.
Entscheidung des BAG
Anders als die Vorinstanzen hielt das BAG beide Verfallklauseln für unwirksam. Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor – aus der Pressemitteilung ergeben sich jedoch bereits die wesentlichen Argumente des Gerichts:
Das BAG stellt klar, dass die Regelungen zu den virtuellen Optionen als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB unterliegen. Der sofortige Verfall bereits „gevesteter“ Optionen bei Eigenkündigung stelle nach den Ausführungen des BAG eine „unangemessene Benachteiligung“ des Arbeitnehmers dar. Da virtuelle Optionen Vergütungswirkungen haben, seien sie als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen zu qualifizieren. Der Arbeitnehmer habe seinen Teil der Voraussetzungen für die Ausübbarkeit bereits erfüllt – nämlich durch kontinuierliche Arbeitsleistung während der Vesting-Periode. Eine Regelung, nach der sämtliche Optionsrechte – einschließlich bereits gevesteter Rechte – bei Eigenkündigung verfallen, vernachlässige somit die Vergütungswirkung der Optionen und stelle eine unangemessene Benachteiligung dar.
Die sofortige Entwertung bereits gevesteter Optionen stehe im Widerspruch zur gesetzlichen Wertung, wonach erbrachte Arbeitsleistung zu vergüten ist. Der Senat distanziert sich ausdrücklich von seiner Entscheidung aus dem Jahr 2008 (10 AZR 351/07), die eine solche Verfallregelung noch als wirksam angesehen hatte.
Ebenso wurde die Regelung des graduellen Verfalls innerhalb von zwei Jahren beanstandet. Auch sie sei sachlich nicht gerechtfertigt: Ausgehend von einer vierjährigen Vesting-Periode führe sie zu einem doppelt so schnellen Verfall der Optionen.
Viele Arbeitgeber müssen Programme anpassen
Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz für alle Unternehmen, die virtuelle Mitarbeiterbeteiligungen anbieten. Insbesondere bricht es mit der gültigen Rechtsprechung, auf die sich viele Arbeitgeber bislang verlassen haben. Sie sind nun gefordert, bestehende Programme anzupassen und Beteiligungsmodelle künftig transparent und entsprechend den neuen BAG-Vorgaben zu gestalten. Insbesondere müssen sie beachten, dass „gevestete“ virtuelle Optionen Bestandteile der erarbeiteten Vergütung sind, die nicht automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen dürfen.