Um die Aktualität von Schlussbilanzen für umwandlungsrechtliche Vorgänge sicherzustellen, darf das Handelsregister umwandlungsrechtliche Maßnahmen wie Spaltungen und Verschmelzungen nur eintragen, wenn die Schlussbilanz auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung zurückliegenden Stichtag aufgestellt wurde. Weil bei den meisten Gesellschaften das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, erreichen unsere Anwälte und Steuerberater erfahrungsgemäß ab Mai verstärkt Anfragen zur rechtlichen Betreuung entsprechender Vorhaben; in unserer notariellen Praxis werden entsprechende Beurkundungstermine dann verstärkt im Juli und August beurkundet.

Wie von uns in unserem Blog und Webinar zum Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (COVMG) berichtet, wurde die in § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG niedergelegte Frist von acht auf zwölf Monate verlängert. Diese Frist darf nicht pauschal verstanden werden (1). Weiterhin bestand wegen der fehlenden Harmonisierung mit den Vorgaben des Umwandlungssteuergesetzes Rechtsunsicherheit, die nunmehr beseitigt ist (2). Die Änderungen im Umwandlungsgesetz weisen eine hohe Praxisrelevanz auf (3). Etwaige gestalterische Maßnahmen müssen verantwortungsvoll vorgenommen werden (4).

 

1. Erforderlichkeit ganzheitlicher Rechtsprüfung am Beispiel von § 63 UmwG

Die Zwölfmonatsfrist darf nicht pauschal verstanden werden: So muss etwa bei Verschmelzung unter Beteiligung einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien die Vorgabe des § 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG (bei der KGaA in Verbindung mit § 78 UmwG) beachtet werden, wonach zumindest die Aufstellung des Entwurfs des Verschmelzungsvertrags nicht später als sechs Monate nach der letzten Schlussbilanz erfolgen sollte. Dies ist ein Beispiel dafür, dass die COVID-19-Gesetzgebung zwar den unternehmerischen Belangen entgegenkommt, aber aufgrund der mit ihr verbundenen gesteigerten Komplexität der Regelungsregime weiterhin rechtliche Prüfungen erfordert.

 

2. Harmonisierung mit Vorgaben des Umwandlungssteuergesetzes

Umwandlungsrechtlich erfahrenen Beratern fiel bei Inkrafttreten des CVMG Ende März auf, dass eine Harmonisierung mit den Vorgaben des § 9 Satz 3 UmwStG (betreffend den Formwechsel in eine Personengesellschaft) und § 20 Abs. 6 UmwStG (Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft) fehlte, die hinsichtlich der maßgeblichen Schlussbilanzen eigenständige Rückbeziehungszeiträume von acht Monaten vorsehen. Der Gesetzgeber möchte hier nachjustieren und hat den entsprechenden Gesetzesentwurf gestern zur weiteren Beratung in die Ausschüsse unter Federführung des Finanzausschusses überwiesen: Die steuerlichen Rückwirkungszeiträume in § 9 Satz 3 und § 20 Absatz 6 Satz 1 und 3 UmwStG werden vorübergehend auf zwölf Monate verlängert, um einen Gleichlauf mit der Verlängerung des Rückwirkungszeitraums im COVMG zu erzielen.

 

3. Praktische Relevanz der Neuerungen in der aktuellen Situation

Diese Neuerungen haben in der derzeitigen Situation eine hohe praktische Relevanz, insbesondere für die nachfolgend aufgeführten Konstellationen:

a) Auflösung nicht mehr benötigter rechtlich selbständiger Organisationseinheiten durch Verschmelzung auf bleibende Rechtsträger. Eine solche spart mittelfristig Bilanzierungs- und Steuerberatungskosten sowie organisatorischen Aufwand im Rahmen der Beteiligungsverwaltung (Nachvollzug von Geschäftsleiterwechseln, Befreiungen von den Veröffentlichungspflichten nach § 264 Abs. 3 HGB, usw.).

b) Zur Vorbeugung von Insolvenzverfahren können Rechtsträger in der Krise auf krisenresistente Konzerneinheiten verschmolzen werden.

c) Ebenso kann mit dem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als Vollhafter der Insolvenzgrund der Überschuldung wegfallen

d) Spaltungsmaßnahmen, um rechtlich selbständige Unternehmenseinheiten im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen an Dritte anbieten zu können.

 

4. Neuregelungen sind kein Freibrief:

Der Gesetzgeber versucht, die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft an vielen Stellen abzufedern. Trotzdem müssen Umstrukturierungsmaßnahmen (auch) weiterhin umsichtig vorbereitet werden. So kann etwa die Verschmelzung eines insolvenzreifen übertragenden Rechtsträgers als Geltungsmittel für dessen liquidationslose Abwicklung und die dadurch herbeigeführte oder vertiefte Insolvenz des übernehmenden Rechtsträgers einen sogenannten existenzvernichtenden Eingriff gemäß § 826 BGB darstellen (BGH, Teilurteil vom 06.11.2018 - II ZR 199/17, Vorinstanz OLG Dresden), der zum Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter, aber auch strafrechtlichen Fragen führen kann. Ist eine entsprechende Verschmelzung angedacht, sollte geprüft werden, ob der Zielrechtsträger so ausgestattet ist, dass er kapitalmäßig den Vorgang bewältigen kann, dadurch also nicht insolvenzantragspflichtig oder in seiner Existenz bedroht wird. Neben der wirtschaftlichen Situation der zu übertragenden Gesellschaften ist daher auch die des aufnehmenden Rechtsträgers zu prüfen.