Muss ein Mieter von Gewerberaum die Miete für Zeiträume zahlen, in denen sein Geschäft aufgrund hoheitlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie schließen musste? Diese Frage war bislang in Literatur und Rechtsprechung – bis hin zu den Oberlandesgerichten – umstritten.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich nun erstmalig mit einem solchen Fall zu beschäftigen. In einem von Juristen wie auch Vermietern, Mietern und Handelsverbänden mit Spannung erwarteten Urteil vom 12. Januar 2022 (Az. XII ZR 8/21) hat er hierzu Leitlinien aufgestellt.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Filiale des Textil-Discounters KiK im Zeitraum vom 19. März 2020 bis 19. April 2020 aufgrund des ersten coronabedingten bundesweiten Lockdowns schließen müssen. Während der mietende Textil-Discounter in Folge der behördlich angeordneten Betriebsschließung überhaupt keine Miete entrichtete, verlangte der Vermieter für diese Zeit die volle Zahlung.

Der BGH stellt zunächst klar: Behördliche Anordnungen zur Schließung von Geschäftsbetrieben zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie stellen keinen Mangel der Mietsache dar. Denn eine Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie beruht, steht nicht unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjektes in Zusammenhang. Ein Mangel der Mietsache selbst ergibt sich, so der BGH, auch nicht aus dem vereinbarten Mietzweck, nämlich der Nutzung der Räumlichkeiten als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäftes.

Jedoch betont das höchste deutsche Zivilgericht in derartigen Fällen einer pandemiebedingten Geschäftsschließung, dass grundsätzlich ein Anspruch des Mieters auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Denn es sei von der Erwartung beider Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auszugehen, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrages nicht in einem die Existenz erschütternden Maße ändern. Mit den Lockdownmaßnahmen aufgrund der Allgemeinverfügungen der Bundesländer sei aber genau dies eingetreten.

Zu beachten ist hierbei jedoch: Allein die Störung der Geschäftsgrundlage führt nicht automatisch zu einer Vertragsanpassung. Dies sei, so er BGH, nur dann der Fall, wenn dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne. Dafür bedarf es laut BGH-Urteil einer umfassenden Würdigung und Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles – hier verbiete sich eine pauschalisierende Betrachtungsweise.

Entsprechend kann nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass grundsätzlich für den Zeitraum der Geschäftsschließung die Miete immer um die Hälfte herabzusetzen ist, nur weil das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung der Mietsache von keiner der beiden Mietvertragsparteien alleine zu vertreten ist.

Es bedarf vielmehr einer umfassenden und auf den Einzelfall bezogenen Abwägung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung auf Dauer entstehen. Das kann etwa ein konkreter Umsatzrückgang sein, wobei dafür auf das einzelne Ladengeschäft abzustellen ist. Zu berücksichtigen sind zudem Umstände, wie etwa Maßnahmen, die der Mieter ergreifen konnte, um drohende Umsatzverluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Einbezogen werden müssen auch finanzielle Vorteile, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat, sofern diese Leistungen nicht lediglich auf der Basis eines Darlehens gewährt wurden. Ebenso müssen Zahlungen einer gegebenenfalls einstandspflichtigen Betriebsausfallversicherung des Mieters in diesem Rahmen berücksichtigt werden.

Auch wenn die Anforderungen an die Darlegungen des Mieters zu den ihm entstehenden Nachteilen der Geschäftsschließung hoch sind: Ein Anpassungsanspruch des Mieters hinsichtlich der Miete für diesen Zeitraum setzt nach dem BGH nicht die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters voraus.

Gleichzeitig sind bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters zu berücksichtigen, etwa die wenigstens kostendeckende Bewirtschaftung der Immobilie.

Das Urteil des BGH vom 12. Januar 2022 macht deutlich: Für die Antwort auf die Frage nach dem Anspruch eines Mieters auf Anpassung des Mietzinses während coronabedingter Schließungsmaßnahmen verbietet sich eine pauschalisierende, schematische Betrachtungsweise. Sie kann also nicht zwangsläufig „halbe halbe“ lauten.

Im Ergebnis haben die zum Teil drastischen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie sowohl Vermieter als auch Mieter mit einer Situation konfrontiert, die für sie bei Vertragsabschluss nicht absehbar war. Zudem wurde die Vorschrift des Artikels 240 § 7 EGBGB neu geregelt, wonach vermutet wird, dass sich ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage), der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn die Geschäftsräume in Folge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie dem Mieter nicht zur Verfügung stehen.

Deswegen ist den Mietvertragsparteien unbedingt anzuraten, einen Rechtsstreit über die Miethöhe zu vermeiden und eine einvernehmliche Lösung hinsichtlich der Mietanpassung in diesen Zeiträumen anzustreben.

Die durch den BGH in seinem Urteil aufgestellten Leitlinien gelten nicht nur für den Einzelhandel, sondern sind auch auf andere Branchen, z. B. Hotels, Gaststätten und Fitnesseinrichtungen, anwendbar. Schließlich gelten sie auch bei der Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten von Mieträumen infolge der aktuellen „2G“- und „2G+“-Regelungen.